Infektionskrankheiten by Heiko Herwald

Infektionskrankheiten by Heiko Herwald

Autor:Heiko Herwald
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783662585191
Herausgeber: Springer Berlin Heidelberg


6.2 Blockierung der DNS-Replikation und RNS-Synthese

Die Chromosomen vieler Mikroorganismen bilden eine ringförmige DNS-Helix , deren Länge um mehr als das 1000-Fache größer sein kann als der Durchmesser eines Bakteriums (◘ Abb. 6.2).

Abb. 6.2Gefaltete DNS in einem Bakterium

Wie aber kann eine so große DNS-Helix in einem Bakterium Platz finden? Ein bakterielles Chromosom kann zwar einen enormen Radius haben, allerdings ist die Dicke eines DNS-Stranges relativ gering. Eine DNS-Helix kann in ihrer Länge verkürzt werden, wenn sie kompakt zusammenfaltet wird. Dieser Prozess muss jedoch reversibel sein, da das bakterielle Chromosom sich bei jeder Zellteilung wieder entfalten muss, um sich zu replizieren.

Bakterien benötigen hierzu ein spezielles Enzym, die sogenannte Gyrase . Eine Gyrase hilft, sowohl die DNS zu verpacken als auch sie wieder zu entwirren. Wenn sie blockiert wird, kann das Erbgut von einem Bakterium nicht an die Tochterzelle weitergegeben werden. Somit wird die bakterielle Fortpflanzung vollständig unterbunden. Im Gegensatz zu Bakterien besitzen eukaryotische Zellen keine Gyrase, da ihre Chromosomen anders gebündelt werden. Für die Entwicklung von neuartigen Antibiotika waren daher auch Ende des letzten Jahrhunderts Gyrasehemmer im Fokus der medizinischen Forschung.

Fluorchinolone bilden eine Gruppe von Antibiotika, die spezifisch die Enzymaktivität von Gyrasen blockieren. Im Gegensatz zu vielen anderen antimikrobiellen Substanzen gehören ihre Vertreter nicht zu den Naturstoffen, sondern müssen synthetisch hergestellt werden. So wurde auch Nalidixinsäure , ein Fluorchinolon der ersten Generation, Anfang der 1960er-Jahre eher zufällig entdeckt, als es als Nebenprodukt bei der Chloroquinsynthese anfiel. Wegen seiner antibakteriellen Wirkung gegenüber Gram-negativen Bakterien wurde Nalidixinsäure bereits 1967 zur Behandlung von Harnweginfektionen eingesetzt.

Drei weitere Entwicklungsstufen sollten folgen, in denen das Wirkungsspektrum auch auf Behandlungen von Infektionen mit Gram-positiven Bakterien erweitert wurde. Viele Fluorchinolone der 2. und 3. Generation wurden allerdings wieder vom Markt genommen, da sie gravierende Nebenwirkungen verursachten. Heute werden Fluorchinolone der 4. Generation, wie beispielsweise Moxifloxacin und Gemifloxacin, oft als Breitbandantibiotika in der Klinik eingesetzt. Da ihr Einsatz aber zu irreparablen körperlichen Schäden führen kann, gab die amerikanische Gesundheitsbehörde 2016 die Empfehlung, Fluorchinolone nur noch einzusetzen, wenn keine anderen Behandlungsoptionen mehr vorhanden sind.

Aminocumarine sind wie Fluorchinolone Gyrasehemmer. Sie werden allerdings nicht synthetisch, sondern von Bakterien der Gattung Streptomyces produziert. Wegen der geringen Wasserlöslichkeit und antibakteriellen Aktivität sowie ihrer massiven Nebenwirkungen können sie aber nicht klinisch eingesetzt werden. Novobiocin, das aus Streptomyces niveus gewonnen wird, ist das einzige Aminocumarin, das zur Behandlung von Infektionskrankheiten genutzt wurde. Vertrieben wurde es von der ehemaligen amerikanischen Firma Upjohn unter dem Handelsnamen Albamycin. Wegen seiner geringen Aktivität wurde allerdings die Produktion 1996 eingestellt und der Handel mit diesem Antibiotikum 2011 von der amerikanischen Gesundheitsbehörde untersagt.

Einige Forschungsgruppen versuchen jedoch weiterhin, Aminocumarine genetisch so zu verändern, dass sie eine verbesserte antibiotische Wirkung haben, ohne dabei eukaryotische Zellen zu schaden. Dieser Ansatz ist durchaus sinnvoll, da Aminocumarine zu den wenigen Antibiotika gehören, die gegen Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) Bakterien aktiv sind. Es ist aber zurzeit nicht absehbar, ob diese neuartigen Substanzen überhaupt zur Behandlung von Infektionskrankheiten eingesetzt werden können.

1957 wurde der mailändischen Firma Dow-Lepetit Laboratories eine Bodenprobe aus einem Kiefernwald der französischen Riviera geschickt. Ähnlich wie Selman Waksman und sein



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